Feinde im Hass vereint (JMD quotes in German)
Von Martin Einsiedler
BERLIN (dapd) -- Ein Fußballspiel zwischen den zwei verfeindeten ägyptischen Klubs Al-Ahly und Zamalek SC lässt keine normalen Umstände zu. Die Derbys der Kairoer Vereine werden auf neutralem Platz ausgetragen und von einem ausländischen Schiedsrichter geleitet. Zu tief geht der Riss durch die Anhängerschaften. Vor einem Jahr aber wurde die Feindschaft zur Nebensache: Die Fans beider Lager gingen am 25. Januar gemeinsam auf die Straße, um gegen das Mubarak-Regime zu demonstrieren. Besonders die beiden Ultra-Gruppierungen spielten eine bedeutende Rolle beim Aufbegehren gegen den Staat. Und der gemeinsame Kampf geht weiter.
"Während der Herrschaft von Husni Mubarak war das Kairoer Derby das gewalttätigste auf der ganzen Welt. Die Polizei bildete eine Art schwarzer Stahlring um das Stadion. Die Sicherheitsvorkehrungen dort waren vergleichbar mit dem des Flughafens in Tel Aviv", erzählt James M. Dorsey, der an der Nanyang Technological University in Singapur lehrt und als Autor des Blogs "The Turbulent World of Middle East Soccer" tätig ist. Am 7. Februar treffen die berüchtigten Klubs zum ersten Mal seit der Revolution wieder aufeinander, und kein Mensch weiß, was diesmal passieren wird. Denn so wie das ganze Land ein Jahr nach dem Sturz des Präsidenten Mubarak einer noch völlig ungewissen Zukunft entgegengeht, so tut es auch der Fußball und dessen Anhängerschaft.
Fußball und Politik bilden in Ägypten, speziell in Kairo, schon seit der britischen Kolonialherrschaft eine untrennbare Einheit. "Die Zugehörigkeit zu einem der beiden Klubs war bis zum Sturz Mubaraks eine Definitionslinie", erklärt Dorsey. Al-Ahly und Zamalek SC bildeten die Antipoden der Gesellschaft. Al-Ahly wurde 1907 von den Gegnern der Kolonialherrschaft gegründet. "Es ist der Verein des einfachen Mannes und der Nationalisten", sagt Dorsey. Zamalek wurde von Ausländern ins Leben gerufen, dem Verein haftete schnell das Image des Klubs der Reichen an - was dieser auch sorgsam pflegte. Es ranken sich viele Anekdoten um das Derby, die meisten davon sind traurig. Mehrere Tote hat es trotz des polizeilichen Stahlrings gegeben; Anfang der 70er-Jahre wurde wegen der Ausschreitungen im Derby die komplette Saison in Ägypten abgesagt. Und dann diese ständige Suche nach einem Schiedsrichter, der das
Himmelfahrtskommando vor bis zu 100.000 Zuschauern auf sich nimmt. 2001 bekam der ägyptische Fußballverband (EFA) Absagen von sage und schreibe sechs europäischen Nationalverbänden, ehe sich der schottische Referee Kenny Clark erbarmte.
Ultras formten Front gegen Sicherheitskräfte
Vor einem Jahr aber machten ausgerechnet die Ultras der beiden Vereine gemeinsame Sache. Laut Dorsey nahmen sie eine zentrale Rolle bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo ein. "Die Ultras von Al-Ahly und Zamalek haben eine Barriere der Angst niedergerissen", sagt er. "Sie haben die Frage, ob man vor Mubaraks Schergen weglaufen oder stehen bleiben soll, mit der zweiten Option beantwortet und damit ein Signal an die breite Masse gesendet." Die Ultras formten gemeinsam die Frontlinie, sie versperrten den staatlichen Sicherheitskräften die Zugänge zum Platz, indem sie Autos zu Barrikaden umfunktionierten. "Die Bedeutung der Ultras war deshalb so groß, weil sie Kampferfahrung haben. Selbst Mubaraks Sicherheitskräfte hatten großen Respekt vor ihnen", sagt Dorsey. "Es war der Hass auf Mubarak, der die Ultra-Gruppierungen vereinte."
Mit dem Sturz Mubaraks war der Konflikt nicht vorbei. Die Wut der Ultras richtet sich seitdem gegen das Militär, das brutal gegen Demonstranten und Revolutionäre vorgeht.
Laut Angaben der Revolutionäre wurden seit Juli vergangenen Jahres 120 Demonstranten getötet und mehr als 6.000 verletzt. Auch für dieses Jahr planen die beiden Ultra-Gruppierungen von Al-Ahly und Zamalek daher gemeinsame Aktionen. "Sie werden versuchen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, wie brutal das Militär ist."
Für die Ultras sind erneute Proteste schon deshalb unabdingbar, weil sämtliche Spiele vom ägyptischen Fußballverband für diese Woche abgesagt worden sind. Dorsey glaubt aber nicht, dass die Demonstrationen große Wirkung entfachen werden. Die Mehrheit der Ägypter sei des Demonstrierens müde geworden und die Protest-Bewegung der Jugendgruppen und Ultras sei marginalisiert, sagt er.
Skeptisch ist Dorsey zudem, was das künftige Verhältnis der verfeindeten Kairoer Fußballklubs betrifft. "Ich würde nicht so weit gehen und behaupten, dass die Rivalität durch die gemeinsamen Proteste abgeschwächt ist." Am 7. Februar, wenn Al-Ahly und Zamalek im Liga-Derby aufeinandertreffen, wird es sich zeigen.
BERLIN (dapd) -- Ein Fußballspiel zwischen den zwei verfeindeten ägyptischen Klubs Al-Ahly und Zamalek SC lässt keine normalen Umstände zu. Die Derbys der Kairoer Vereine werden auf neutralem Platz ausgetragen und von einem ausländischen Schiedsrichter geleitet. Zu tief geht der Riss durch die Anhängerschaften. Vor einem Jahr aber wurde die Feindschaft zur Nebensache: Die Fans beider Lager gingen am 25. Januar gemeinsam auf die Straße, um gegen das Mubarak-Regime zu demonstrieren. Besonders die beiden Ultra-Gruppierungen spielten eine bedeutende Rolle beim Aufbegehren gegen den Staat. Und der gemeinsame Kampf geht weiter.
"Während der Herrschaft von Husni Mubarak war das Kairoer Derby das gewalttätigste auf der ganzen Welt. Die Polizei bildete eine Art schwarzer Stahlring um das Stadion. Die Sicherheitsvorkehrungen dort waren vergleichbar mit dem des Flughafens in Tel Aviv", erzählt James M. Dorsey, der an der Nanyang Technological University in Singapur lehrt und als Autor des Blogs "The Turbulent World of Middle East Soccer" tätig ist. Am 7. Februar treffen die berüchtigten Klubs zum ersten Mal seit der Revolution wieder aufeinander, und kein Mensch weiß, was diesmal passieren wird. Denn so wie das ganze Land ein Jahr nach dem Sturz des Präsidenten Mubarak einer noch völlig ungewissen Zukunft entgegengeht, so tut es auch der Fußball und dessen Anhängerschaft.
Fußball und Politik bilden in Ägypten, speziell in Kairo, schon seit der britischen Kolonialherrschaft eine untrennbare Einheit. "Die Zugehörigkeit zu einem der beiden Klubs war bis zum Sturz Mubaraks eine Definitionslinie", erklärt Dorsey. Al-Ahly und Zamalek SC bildeten die Antipoden der Gesellschaft. Al-Ahly wurde 1907 von den Gegnern der Kolonialherrschaft gegründet. "Es ist der Verein des einfachen Mannes und der Nationalisten", sagt Dorsey. Zamalek wurde von Ausländern ins Leben gerufen, dem Verein haftete schnell das Image des Klubs der Reichen an - was dieser auch sorgsam pflegte. Es ranken sich viele Anekdoten um das Derby, die meisten davon sind traurig. Mehrere Tote hat es trotz des polizeilichen Stahlrings gegeben; Anfang der 70er-Jahre wurde wegen der Ausschreitungen im Derby die komplette Saison in Ägypten abgesagt. Und dann diese ständige Suche nach einem Schiedsrichter, der das
Himmelfahrtskommando vor bis zu 100.000 Zuschauern auf sich nimmt. 2001 bekam der ägyptische Fußballverband (EFA) Absagen von sage und schreibe sechs europäischen Nationalverbänden, ehe sich der schottische Referee Kenny Clark erbarmte.
Ultras formten Front gegen Sicherheitskräfte
Vor einem Jahr aber machten ausgerechnet die Ultras der beiden Vereine gemeinsame Sache. Laut Dorsey nahmen sie eine zentrale Rolle bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo ein. "Die Ultras von Al-Ahly und Zamalek haben eine Barriere der Angst niedergerissen", sagt er. "Sie haben die Frage, ob man vor Mubaraks Schergen weglaufen oder stehen bleiben soll, mit der zweiten Option beantwortet und damit ein Signal an die breite Masse gesendet." Die Ultras formten gemeinsam die Frontlinie, sie versperrten den staatlichen Sicherheitskräften die Zugänge zum Platz, indem sie Autos zu Barrikaden umfunktionierten. "Die Bedeutung der Ultras war deshalb so groß, weil sie Kampferfahrung haben. Selbst Mubaraks Sicherheitskräfte hatten großen Respekt vor ihnen", sagt Dorsey. "Es war der Hass auf Mubarak, der die Ultra-Gruppierungen vereinte."
Mit dem Sturz Mubaraks war der Konflikt nicht vorbei. Die Wut der Ultras richtet sich seitdem gegen das Militär, das brutal gegen Demonstranten und Revolutionäre vorgeht.
Laut Angaben der Revolutionäre wurden seit Juli vergangenen Jahres 120 Demonstranten getötet und mehr als 6.000 verletzt. Auch für dieses Jahr planen die beiden Ultra-Gruppierungen von Al-Ahly und Zamalek daher gemeinsame Aktionen. "Sie werden versuchen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, wie brutal das Militär ist."
Für die Ultras sind erneute Proteste schon deshalb unabdingbar, weil sämtliche Spiele vom ägyptischen Fußballverband für diese Woche abgesagt worden sind. Dorsey glaubt aber nicht, dass die Demonstrationen große Wirkung entfachen werden. Die Mehrheit der Ägypter sei des Demonstrierens müde geworden und die Protest-Bewegung der Jugendgruppen und Ultras sei marginalisiert, sagt er.
Skeptisch ist Dorsey zudem, was das künftige Verhältnis der verfeindeten Kairoer Fußballklubs betrifft. "Ich würde nicht so weit gehen und behaupten, dass die Rivalität durch die gemeinsamen Proteste abgeschwächt ist." Am 7. Februar, wenn Al-Ahly und Zamalek im Liga-Derby aufeinandertreffen, wird es sich zeigen.
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